Erfolgreiche Crowdfunding-Kampagnen in Österreich: Ein Praxisleitfaden

  • Genaue Planung ist entscheidend: Eine erfolgreiche Kampagne in Österreich beginnt Monate vor dem eigentlichen Start mit einer detaillierten Konzeption, Zielgruppendefinition und Budgetierung.
  • Das richtige Modell wählen: Ob Crowdinvesting, Crowdlending, eine spenden- oder gegenleistungsbasierte Kampagne – die Wahl des Modells muss zu Ihrem Projekt und Ihren Zielen passen.
  • Die Kraft der Geschichte: Menschen unterstützen nicht nur Ideen, sondern die Visionen und Personen dahinter. Authentisches Storytelling, insbesondere durch ein hochwertiges Video, ist der Schlüssel zum Erfolg.
  • Österreichische Plattformen nutzen: Lokale Plattformen kennen den österreichischen Markt, die rechtlichen Rahmenbedingungen und sprechen direkt eine heimische Community an.
  • Marketing ist kein Selbstläufer: Der Aufbau einer Community vor dem Start und die kontinuierliche Kommunikation während der Kampagne sind essenziell, um das Finanzierungsziel zu erreichen.
  • Recht und Steuern beachten: Das eingenommene Geld stellt eine Betriebseinnahme dar und unterliegt in der Regel der Einkommen- und Umsatzsteuer. Eine Beratung durch einen Steuerberater ist unerlässlich.

Die Grundlagen: Was ist Crowdfunding und wie funktioniert es in Österreich?

Crowdfunding, auf Deutsch auch Schwarmfinanzierung genannt, ist eine moderne Methode, um Projekte, Produkte oder Unternehmensgründungen zu finanzieren. Die Grundidee ist einfach: Statt einen oder wenige große Investoren zu suchen, wird das benötigte Kapital durch viele kleine Beiträge von einer großen Anzahl an Menschen – der „Crowd“ – eingesammelt. Dieser Prozess findet fast immer über spezialisierte Online-Plattformen statt, die als Vermittler zwischen den Projektinitiatoren und der unterstützenden Menge fungieren.

In Österreich hat sich Crowdfunding in den letzten Jahren fest etabliert und ist zu einer wichtigen Säule der Alternativfinanzierung geworden. Der Ablauf ist dabei klar strukturiert. Zuerst stellt ein Projektwerber – das kann eine Privatperson, ein Verein oder ein Unternehmen sein – seine Idee auf einer Crowdfunding-Plattform vor. In einer zeitlich begrenzten Kampagne wird das Projekt mit Texten, Bildern und vor allem einem Video präsentiert. Dabei wird ein konkretes Finanzierungsziel und eine Laufzeit festgelegt.

Interessierte Personen, die Unterstützer, können das Projekt dann mit einem Geldbetrag ihrer Wahl fördern. Je nach Crowdfunding-Modell erhalten sie dafür eine Gegenleistung. Das kann ein Dankeschön, das fertige Produkt, eine Unternehmensbeteiligung oder eine Verzinsung sein. Die Plattform selbst stellt die technische Infrastruktur, wickelt die Zahlungen ab und erhält dafür in der Regel eine prozentuale Provision vom eingesammelten Betrag. Der rechtliche Rahmen, insbesondere für Crowdinvesting, wird in Österreich durch das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) geregelt, das für Transparenz und Anlegerschutz sorgt.

Die vier Crowdfunding-Modelle im Detail

Nicht jedes Crowdfunding ist gleich. Je nach Projektart und Zielsetzung eignet sich ein anderes Modell. Die Wahl des richtigen Modells ist ein fundamentaler Schritt, da es bestimmt, was Sie Ihrer Crowd als Gegenleistung anbieten und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. In Österreich haben sich vier Hauptformen durchgesetzt, die jeweils unterschiedliche Anreize für die Unterstützer schaffen.

Reward-based Crowdfunding (Gegenleistungsbasiert)

Dies ist die klassische und wohl bekannteste Form des Crowdfundings. Unterstützer erhalten für ihren Beitrag eine nicht-finanzielle Gegenleistung, ein sogenanntes „Dankeschön“ oder „Reward“. Das kann das finanzierte Produkt selbst sein (z.B. ein Buch, ein technisches Gerät, ein Brettspiel), aber auch exklusive Erlebnisse oder limitierte Artikel. Dieses Modell ist ideal für kreative Projekte, die Entwicklung neuer Produkte oder die Organisation von Veranstaltungen. Der Fokus liegt auf der Realisierung einer konkreten Idee, und die Unterstützer sind oft die ersten Kunden.

Equity-based Crowdfunding (Crowdinvesting)

Beim Crowdinvesting werden die Unterstützer zu Miteigentümern. Sie investieren in ein Unternehmen – meist ein Startup oder ein wachsendes KMU – und erhalten im Gegenzug Unternehmensanteile oder eine an den Unternehmenserfolg gekoppelte Verzinsung. Für Unternehmen ist dies eine Möglichkeit, Eigenkapital aufzubauen, ohne auf klassische Venture-Capital-Geber oder Banken angewiesen zu sein. Für Anleger bietet es die Chance, schon mit kleinen Beträgen in junge, potenziell wachstumsstarke Firmen zu investieren. In Österreich fällt dieses Modell unter das strenge Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG).

Lending-based Crowdfunding (Crowdlending)

Hier agiert die Crowd als Kreditgeber. Privatpersonen oder Unternehmen leihen sich Geld von vielen Kleininvestoren und verpflichten sich, den Betrag inklusive Zinsen über eine festgelegte Laufzeit zurückzuzahlen. Es handelt sich also um einen Schwarmkredit. Dieses Modell ist eine Alternative zum klassischen Bankkredit und wird oft von etablierten KMU zur Finanzierung von Wachstum oder spezifischen Projekten genutzt. Die Investoren erhalten eine klar definierte, planbare Rendite.

Donation-based Crowdfunding (Spendenbasiert)

Bei dieser Form steht der gemeinnützige Gedanke im Vordergrund. Die Unterstützer spenden Geld für ein soziales, karikatives oder gesellschaftliches Projekt, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Ihr Lohn ist das gute Gefühl, eine wichtige Sache unterstützt zu haben. Dieses Modell wird häufig von Vereinen, NGOs oder für private Hilfsaktionen genutzt, um beispielsweise medizinische Behandlungen, Umweltprojekte oder soziale Initiativen zu finanzieren.

Modell Geeignet für Was erhalten die Unterstützer? Rechtlicher Rahmen in Österreich
Reward-based (Gegenleistung) Kreative Projekte, Produkte, Events, Spiele Nicht-finanzielle Gegenleistung (Produkt, Dankeschön) Kaufvertrag/Schenkung, Konsumentenschutzgesetze
Equity-based (Crowdinvesting) Startups, Wachstumsunternehmen (KMU) Unternehmensanteile, Genussrechte, Erfolgsbeteiligung Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG), Kapitalmarktrecht
Lending-based (Crowdlending) KMU, Immobilienprojekte, Privatkredite Feste Zinsen über eine definierte Laufzeit AltFG, teilweise Bankwesengesetz (BWG)
Donation-based (Spenden) Soziale, karitative, gemeinnützige Projekte Keine materielle Gegenleistung (ideeller Wert) Spendenrecht, steuerliche Absetzbarkeit beachten

Der Fahrplan zur erfolgreichen Kampagne: Von der Idee zur Finanzierung

Eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne ist kein Glücksspiel, sondern das Ergebnis strategischer Planung und harter Arbeit. Der Prozess lässt sich grob in vier Phasen unterteilen, von denen jede einzelne entscheidend für den Gesamterfolg ist. Wer hier Abkürzungen nimmt, riskiert, sein Ziel zu verfehlen.

Phase 1: Die Konzeption und Planung

Alles beginnt mit einer soliden Idee und einer ehrlichen Selbsteinschätzung. Ist Ihr Projekt für die Crowd attraktiv? Welches Problem lösen Sie? Definieren Sie Ihr Finanzierungsziel präzise und realistisch. Recherchieren Sie Ihre Zielgruppe: Wer sind die Menschen, die Ihr Projekt unterstützen würden, und wo erreichen Sie sie? In dieser Phase legen Sie das Fundament. Erstellen Sie eine erste Kostenkalkulation und überlegen Sie, welche Gegenleistungen (Rewards) Sie anbieten können, die für Ihre Unterstützer einen echten Mehrwert darstellen.

Phase 2: Die Vorbereitung (Pre-Launch)

Dies ist die wichtigste und am häufigsten unterschätzte Phase. Eine Kampagne startet nicht bei null. Erfolgreiche Projekte haben bereits vor dem offiziellen Start eine Community. Erstellen Sie eine einfache Landing-Page, auf der Sie Ihr Projekt anteasern und E-Mail-Adressen von Interessenten sammeln. Nutzen Sie soziale Medien, um eine erste Anhängerschaft aufzubauen. Produzieren Sie alle Kampagnen-Materialien: Drehen Sie Ihr Kampagnen-Video, schreiben Sie überzeugende Texte und machen Sie professionelle Fotos. Holen Sie Feedback von Freunden und Experten ein, um Ihre Präsentation zu optimieren.

Phase 3: Der Kampagnen-Launch und die Laufzeit

Am ersten Tag der Kampagne aktivieren Sie Ihre zuvor aufgebaute Community. Der Start ist entscheidend, denn ein starker Auftakt erzeugt Momentum und soziale Bestätigung, was wiederum neue Unterstützer anzieht. Während der gesamten Laufzeit (üblicherweise 30 bis 45 Tage) müssen Sie aktiv kommunizieren. Posten Sie regelmäßige Updates, beantworten Sie Fragen sofort, bedanken Sie sich öffentlich bei Unterstützern und nutzen Sie alle Marketingkanäle, um die Reichweite konstant zu erhöhen. Es ist ein Marathon, kein Sprint.

Phase 4: Nach der Kampagne

Ihre Arbeit endet nicht mit dem Erreichen des Finanzierungsziels. Jetzt beginnt die Phase der Umsetzung. Halten Sie Ihre Unterstützer mit regelmäßigen Updates über den Projektfortschritt auf dem Laufenden. Transparenz ist hier das oberste Gebot, auch wenn es zu Verzögerungen kommt. Liefern Sie die versprochenen Gegenleistungen pünktlich und in der versprochenen Qualität aus. Eine zufriedene Crowd ist nicht nur eine einmalige Finanzierungsquelle, sondern oft der erste loyale Kundenstamm und die besten Botschafter für Ihre Marke.

Die Wahl der richtigen Plattform: Ein entscheidender Erfolgsfaktor

Die Crowdfunding-Plattform ist Ihr digitales Schaufenster und der Marktplatz für Ihr Projekt. Die Wahl des richtigen Anbieters ist daher eine strategische Entscheidung, die den Erfolg Ihrer Kampagne maßgeblich beeinflussen kann. Es geht um weit mehr als nur die niedrigsten Gebühren; es geht um die passende Zielgruppe, die richtigen Funktionen und die optimale Unterstützung.

Österreichische vs. Internationale Plattformen

In Österreich gibt es eine Reihe etablierter Plattformen, die sich auf den heimischen Markt spezialisiert haben. Anbieter wie Conda oder Greenrocket im Crowdinvesting-Bereich oder 1000×1000 für regionale Projekte haben den Vorteil, dass sie die rechtlichen und steuerlichen Gegebenheiten in Österreich genau kennen. Ihre Community besteht primär aus österreichischen Unterstützern, was für lokale Projekte ein großer Vorteil ist. Sie bieten oft auch deutschsprachigen Support und kennen die Mentalität des Marktes.

Internationale Giganten wie Kickstarter oder Indiegogo locken mit einer enormen globalen Reichweite. Das kann für Projekte mit internationalem Potenzial, wie z.B. innovative Technik-Gadgets oder englischsprachige Medien, sinnvoll sein. Bedenken Sie jedoch: Die Konkurrenz ist ungleich höher, und Sie müssen Ihre Kampagne komplett auf Englisch ausrichten. Zudem können die Auszahlungsmodalitäten und rechtlichen Rahmenbedingungen komplexer sein.

Worauf Sie bei der Auswahl achten sollten

Vergleichen Sie potenzielle Plattformen anhand mehrerer Kriterien. Zuerst das Finanzierungsmodell: Bietet die Plattform das von Ihnen benötigte Modell an (z.B. Alles-oder-nichts oder flexibles Funding)? Beim „Alles-oder-nichts“-Prinzip erhalten Sie das Geld nur, wenn das Ziel zu 100% erreicht wird. Das ist sicherer für die Unterstützer, birgt aber ein höheres Risiko für Sie. Analysieren Sie die Gebührenstruktur genau. Üblich sind 5-10% Provision vom Finanzierungsbetrag plus Transaktionsgebühren für Zahlungsdienstleister. Prüfen Sie auch den Fokus der Plattform: Ist sie auf eine bestimmte Nische (z.B. Nachhaltigkeit, Technologie, Kreatives) spezialisiert? Eine thematisch passende Plattform hat oft bereits eine interessierte Community, die Sie leichter erreichen können. Werfen Sie einen Blick auf die Erfolgsquote und die bisher finanzierten Projekte, um ein Gefühl für die Plattform zu bekommen.

Das Herzstück Ihrer Kampagne: Überzeugendes Storytelling und visuelle Gestaltung

Menschen investieren nicht in Tabellenkalkulationen, sie investieren in Geschichten und Visionen. Eine Crowdfunding-Kampagne ist im Kern eine emotionale Angelegenheit. Sie müssen es schaffen, dass die Crowd nicht nur Ihr Produkt gut findet, sondern dass sie an Sie und Ihre Mission glaubt. Deshalb sind überzeugendes Storytelling und eine ansprechende visuelle Aufbereitung keine Dekoration, sondern das Fundament Ihres Erfolgs.

Die Macht einer guten Geschichte

Ihre Projektbeschreibung sollte mehr sein als eine reine Auflistung von Fakten. Erzählen Sie eine Geschichte! Eine bewährte Struktur dafür ist: Beginnen Sie mit dem Problem, das Sie erkannt haben. Schildern Sie es so, dass Ihre Zielgruppe sich damit identifizieren kann. Präsentieren Sie anschließend Ihre Idee als die elegante Lösung für dieses Problem. Zeigen Sie, warum Ihr Ansatz besser oder einzigartiger ist als bestehende Alternativen. Und schließlich, malen Sie ein Bild von Ihrer Vision: Was wird sich zum Besseren verändern, wenn Ihr Projekt erfolgreich ist? Seien Sie dabei authentisch, persönlich und leidenschaftlich. Zeigen Sie das Team hinter der Idee – Gesichter schaffen Vertrauen.

Das Kampagnen-Video: Ihr wichtigstes Werkzeug

Statistisch gesehen haben Kampagnen mit einem Video eine signifikant höhere Erfolgschance. Das Video ist oft der erste und wichtigste Berührungspunkt mit potenziellen Unterstützern. Es muss in den ersten Sekunden fesseln. Halten Sie es kurz und prägnant, idealerweise zwischen 2 und 3 Minuten. Die Struktur sollte Ihrer Story folgen: Stellen Sie sich und das Problem vor, präsentieren Sie Ihre Lösung (am besten mit einem Prototyp in Aktion) und erklären Sie, wofür Sie das Geld benötigen. Beenden Sie das Video mit einem klaren Aufruf zum Handeln (Call-to-Action): „Unterstützen Sie uns jetzt und werden Sie Teil unserer Reise!“ Die technische Qualität sollte professionell sein, aber es muss kein Hollywood-Blockbuster werden. Authentizität schlägt oft Hochglanz.

Texte und Bilder, die überzeugen

Nicht jeder schaut das Video. Daher muss auch der Rest Ihrer Kampagnenseite überzeugen. Gliedern Sie den Text mit klaren Überschriften und kurzen Absätzen. Verwenden Sie hochwertige Fotos, die Ihr Produkt, Ihr Team und den Entstehungsprozess zeigen. Infografiken sind hervorragend geeignet, um komplexe Informationen, wie die Budgetaufteilung oder den Zeitplan, verständlich darzustellen. Beschreiben Sie Ihre Belohnungen (Rewards) detailliert und mit ansprechenden Bildern. Je transparenter und professioneller Ihre Seite wirkt, desto mehr Vertrauen fassen potenzielle Unterstützer.

Kalkulation und Finanzierungsziel: Realistisch planen

Die Festlegung des Finanzierungsziels ist einer der heikelsten Punkte einer Crowdfunding-Kampagne. Setzen Sie es zu hoch an, riskieren Sie, es nicht zu erreichen und (beim Alles-oder-nichts-Modell) leer auszugehen. Setzen Sie es zu niedrig an, fehlt Ihnen am Ende womöglich das Geld, um Ihr Projekt wie versprochen umzusetzen, was zu unzufriedenen Unterstützern führt. Eine sorgfältige und transparente Kalkulation ist daher unerlässlich.

Wie setzt man das Finanzierungsziel fest?

Ihr Finanzierungsziel ist nicht einfach nur die Summe, die Sie für die Produktion benötigen. Es ist die Bruttosumme, von der noch zahlreiche Kosten abgehen. Eine solide Kalkulation sollte folgende Punkte beinhalten:

  • Produktions- und Materialkosten: Alle Kosten, die direkt für die Herstellung des Produkts oder die Durchführung des Projekts anfallen.
  • Kosten der Gegenleistungen (Rewards): Was kostet die Herstellung und der Versand der Dankeschöns? Diesen Posten nicht unterschätzen!
  • Plattform- und Zahlungsgebühren: Rechnen Sie mit ca. 5-10% des Zielbetrags für die Plattformprovision und weitere 2-4% für Zahlungsanbieter wie Stripe oder PayPal.
  • Marketing- und Werbebudget: Planen Sie Geld für Social-Media-Anzeigen oder andere Werbemaßnahmen ein, um Ihre Reichweite zu steigern.
  • Steuern: Das eingesammelte Geld ist eine Betriebseinnahme. Kalkulieren Sie die anfallende Umsatzsteuer (in Österreich meist 20%) und die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer mit ein.
  • Puffer: Planen Sie einen Puffer von mindestens 10-15% für unvorhergesehene Ausgaben ein. Es kommt immer etwas dazwischen.

Seien Sie in Ihrer Kampagne transparent darüber, wie sich Ihr Finanzierungsziel zusammensetzt. Eine Grafik, die die Kostenaufteilung zeigt, schafft enormes Vertrauen.

Stretch Goals: Die Motivation hochhalten

Was passiert, wenn Sie Ihr Finanzierungsziel schon vor dem Ende der Kampagne erreichen? Die Luft ist raus? Keineswegs! Hier kommen Stretch Goals ins Spiel. Das sind zusätzliche Ziele, die über das ursprüngliche Finanzierungsziel hinausgehen. Wird ein Stretch Goal erreicht, schalten Sie für alle Unterstützer eine zusätzliche Funktion, eine neue Farbe, ein besseres Material oder ein anderes Extra frei. Dies ist ein fantastisches Instrument, um die Kampagne nach Erreichen des Hauptziels am Leben zu erhalten und die Community zu motivieren, das Projekt weiter zu teilen und zu unterstützen.

Marketing und Kommunikation: Die Crowd aktivieren und bei Laune halten

Der gefährlichste Irrglaube im Crowdfunding lautet: „Bau es, und sie werden kommen.“ Die Realität ist, dass selbst das beste Projekt ohne gezieltes Marketing unsichtbar bleibt. Eine erfolgreiche Kampagne ist ein Kommunikationsmarathon, der lange vor dem Start beginnt und erst nach der Auslieferung der Belohnungen endet. Ihre Aufgabe ist es, kontinuierlich für Aufmerksamkeit zu sorgen und eine Beziehung zu Ihrer Community aufzubauen.

Vor dem Start: Die Community aufbauen

Der Erfolg einer Kampagne entscheidet sich oft schon in den Wochen und Monaten vor dem Launch. Ihr Ziel muss es sein, am ersten Tag nicht bei null zu starten. Beginnen Sie frühzeitig, über Social-Media-Kanäle, die zu Ihrer Zielgruppe passen, eine Anhängerschaft aufzubauen. Der wichtigste Kanal ist jedoch oft die eigene E-Mail-Liste. Erstellen Sie eine Landing-Page für Ihr Projekt und bieten Sie Interessierten an, sich für exklusive Vorab-Infos einzutragen. Diese Liste ist Ihr direkter Draht zu den engagiertesten potenziellen Unterstützern. Suchen Sie zudem Kontakt zu Bloggern, Journalisten und Influencern in Ihrer Nische und stellen Sie ihnen Ihr Projekt vor.

Während der Kampagne: Kontinuierlich trommeln

Sobald die Kampagne live ist, beginnt die intensive Phase der Kommunikation. Informieren Sie Ihre E-Mail-Liste und Social-Media-Follower über den Start. Posten Sie regelmäßige, relevante Updates direkt auf der Kampagnenseite. Feiern Sie Meilensteine (z.B. „Wir haben die 50%-Marke geknackt!“), stellen Sie Teammitglieder vor oder geben Sie Einblicke in den Produktionsprozess. Reagieren Sie extrem schnell auf Fragen und Kommentare. Jede Interaktion ist eine Chance, Vertrauen aufzubauen. Schalten Sie gezielte Werbeanzeigen, um neue Zielgruppen zu erreichen und schaffen Sie gegen Ende der Kampagne mit einem Countdown ein Gefühl der Dringlichkeit („Nur noch 48 Stunden!“).

Nach der Finanzierung: Transparenz schafft Vertrauen

Die Kommunikation darf nach dem erfolgreichen Ende der Kampagne nicht abreißen. Ihre Unterstützer haben Ihnen einen Vertrauensvorschuss gegeben. Nun müssen Sie beweisen, dass dieser gerechtfertigt war. Halten Sie Ihre Crowd mit regelmäßigen Updates (z.B. einmal im Monat) über den Projektfortschritt auf dem Laufenden. Seien Sie auch bei Problemen oder Verzögerungen radikal transparent. Ehrlichkeit wird fast immer positiv aufgenommen. Eine gut informierte Community bleibt loyal und wird nicht nur zu Ihrem ersten Kundenstamm, sondern auch zu Botschaftern für zukünftige Projekte.

Rechtliche und steuerliche Aspekte in Österreich

Eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, bedeutet oft auch, unternehmerisch tätig zu werden. Dies bringt eine Reihe von rechtlichen und steuerlichen Verpflichtungen mit sich, die in Österreich genau geregelt sind. Diese Aspekte zu ignorieren, kann zu empfindlichen Strafen führen. Eine professionelle Beratung ist hier unerlässlich, doch ein grundlegendes Verständnis der Materie ist für jeden Projektwerber Pflicht.

Das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG)

Speziell für Crowdinvesting und Crowdlending wurde in Österreich das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) geschaffen. Es soll einen Ausgleich zwischen der Erleichterung von Finanzierungen für Unternehmen und dem Schutz der Anleger schaffen. Das Gesetz regelt unter anderem Informationspflichten. Für Emissionen bis zu einer bestimmten Schwelle (aktuell 2 Millionen Euro) ist kein aufwendiger und teurer Kapitalmarktprospekt erforderlich, sondern ein standardisiertes Informationsblatt. Dieses muss alle wesentlichen Informationen über das Unternehmen, das Projekt und die damit verbundenen Risiken enthalten. Das AltFG legt auch fest, dass Kleinanleger ein gesetzliches Rücktrittsrecht haben.

Steuern, die Sie kennen müssen

Dies ist einer der wichtigsten und am häufigsten unterschätzten Punkte. Das durch Crowdfunding eingenommene Geld ist kein Geschenk, sondern eine Betriebseinnahme.

  • Einkommensteuer/Körperschaftsteuer: Der Gewinn, der nach Abzug aller Betriebsausgaben (Produktionskosten, Gebühren, Marketing etc.) übrig bleibt, muss versteuert werden. Bei Einzelunternehmern mit der Einkommensteuer, bei einer GmbH mit der Körperschaftsteuer.
  • Umsatzsteuer: Wenn Sie im Rahmen eines Reward-based Crowdfundings Produkte oder Dienstleistungen als Gegenleistung liefern, handelt es sich um einen Tausch (Geld gegen Ware). Auf diesen Umsatz ist in der Regel die gesetzliche Umsatzsteuer (in Österreich meist 20%) abzuführen. Dies müssen Sie bereits bei der Festlegung Ihres Finanzierungsziels berücksichtigen! Lassen Sie sich beraten, ob für Sie die Kleinunternehmerregelung anwendbar ist.

Es ist absolut entscheidend, von Anfang an einen Steuerberater (in Österreich auch „Wirtschaftstreuhänder“ genannt) an Bord zu haben, der sich mit der Thematik auskennt.

Gewerbeanmeldung und Impressumspflicht

Wenn Sie eine Crowdfunding-Kampagne mit der Absicht starten, Gewinn zu erzielen und dies regelmäßig tun, müssen Sie in der Regel ein Gewerbe anmelden. Erkundigen Sie sich bei der zuständigen Wirtschaftskammer, welche Rechtsform (Einzelunternehmen, GmbH) für Ihr Vorhaben die passende ist. Des Weiteren unterliegt Ihre Kampagnenseite, wie jede andere unternehmerische Website in Österreich, der Impressumspflicht gemäß E-Commerce-Gesetz (ECG) und Mediengesetz. Ein vollständiges Impressum mit Namen, Anschrift und Kontaktdaten ist gesetzlich vorgeschrieben und schafft zudem Vertrauen.

Wichtige Fragen und Antworten

Wie hoch sind die Erfolgschancen einer Crowdfunding-Kampagne in Österreich?

Die Erfolgschancen hängen stark von der Vorbereitung, der Projektqualität, dem gewählten Modell und der Plattform ab. International liegen die Erfolgsquoten auf großen Plattformen oft zwischen 30% und 50%. Entscheidend ist jedoch nicht die Statistik, sondern Ihre eigene Arbeit. Projekte mit einer sorgfältigen Vorbereitungsphase, einer bereits existierenden Community und einer klaren, überzeugenden Geschichte haben eine signifikant höhere Chance, ihr Ziel zu erreichen.

Was passiert, wenn das Finanzierungsziel nicht erreicht wird?

Das hängt vom Finanzierungsmodell der Plattform ab. Beim gängigen „Alles-oder-nichts“-Prinzip wird die Kampagne als gescheitert gewertet. Das gesamte Geld wird an die Unterstützer zurücküberwiesen, und dem Projektwerber entstehen in der Regel keine Plattformgebühren. Beim selteneren „flexiblen Funding“ darf der Projektwerber den eingesammelten Betrag auch dann behalten, wenn das Ziel nicht erreicht wurde. Dies birgt das Risiko, dass das Projekt nicht wie versprochen umgesetzt werden kann.

Muss ich auf das gesammelte Geld Steuern zahlen?

Ja, in fast allen Fällen. Das eingesammelte Kapital gilt als Betriebseinnahme und ist Teil Ihres Gewinns, der der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegt. Bei gegenleistungsbasierten Kampagnen fällt zudem in der Regel Umsatzsteuer an, da Sie eine Leistung (das Produkt) für eine Zahlung erbringen. Die Konsultation eines Steuerberaters vor dem Kampagnenstart ist absolut unerlässlich.

Kann ich auch ohne fertigen Prototyp eine Kampagne starten?

Ja, das ist möglich, besonders bei digitalen Produkten, Software oder kreativen Projekten wie Büchern oder Filmen. Allerdings steigert ein physischer, funktionierender Prototyp oder zumindest ein detailliertes 3D-Modell die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Unterstützer enorm. Es beweist, dass Ihre Idee technisch umsetzbar ist und Sie bereits Arbeit investiert haben. Eine Kampagne nur mit einer Skizze zu starten, ist extrem schwierig.

Wie viel kostet eine Crowdfunding-Kampagne?

Crowdfunding ist nicht kostenlos. Sie müssen mit Kosten für die Video- und Fotoerstellung, Marketingausgaben (z.B. für Online-Anzeigen), die Herstellung von Prototypen und eventuell rechtliche Beratung rechnen. Nach erfolgreicher Finanzierung fallen zudem Plattformgebühren (meist 5-10%), Transaktionsgebühren für Zahlungsanbieter (ca. 2-4%), Kosten für die Produktion der Gegenleistungen und deren Versand sowie Steuern an. All diese Posten müssen in die Kalkulation des Finanzierungsziels einfließen.

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