Ready for IPO: Der Weg an die Wiener Börse – ein strategischer Leitfaden

  • Ein Börsengang (IPO) ist eine weitreichende strategische Entscheidung, die weit über die reine Kapitalbeschaffung hinausgeht und eine intensive Vorbereitung von 12 bis 24 Monaten erfordert.
  • Die „Börsenreife“ eines Unternehmens hängt von Faktoren wie einem stabilen Geschäftsmodell, erfahrenem Management und transparenten Strukturen ab.
  • Die Wiener Börse bietet verschiedene Segmente (z.B. Prime Market für Top-Unternehmen, direct market für KMU), die auf die Grösse und Ziele des Unternehmens zugeschnitten sind.
  • Der Prozess umfasst klar definierte Phasen wie die Due Diligence, die Erstellung eines rechtlich bindenden Börsenprospekts und die Vermarktung bei Investoren (Roadshow).
  • Neben den einmaligen Emissionskosten müssen Unternehmen mit signifikanten laufenden Kosten und erhöhten Transparenzpflichten nach dem IPO rechnen.

Warum ein Börsengang? Die strategischen Motive hinter einem IPO

Ein Initial Public Offering (IPO), also der erstmalige öffentliche Verkauf von Unternehmensanteilen, ist eine der tiefgreifendsten Entscheidungen in der Geschichte eines Unternehmens. Oft wird er primär als Instrument zur Kapitalbeschaffung gesehen, doch die wahren Motive sind weitaus vielschichtiger und strategischer Natur. Ein erfolgreicher Börsengang kann die Weichen für zukünftiges Wachstum und nachhaltigen Erfolg stellen.

Kapitalbeschaffung als primäres Ziel

Der offensichtlichste Grund für einen IPO ist der Zugang zu einer grossen Menge an Eigenkapital. Im Gegensatz zu einem Bankkredit muss dieses Kapital nicht zurückgezahlt werden. Unternehmen nutzen die frischen Mittel typischerweise für die Finanzierung von Expansionen, den Eintritt in neue Märkte, Investitionen in Forschung und Entwicklung oder für strategische Zukäufe (Mergers & Acquisitions). Durch die Stärkung der Eigenkapitalbasis verbessert sich zudem die Bonität des Unternehmens, was zukünftige Fremdkapitalaufnahmen zu besseren Konditionen ermöglicht.

Steigerung der Bekanntheit und des Prestiges

Ein Listing an der Wiener Börse sorgt für eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Das Unternehmen tritt aus der Anonymität heraus und wird zu einer Marke, die von Kunden, Lieferanten und potenziellen Geschäftspartnern wahrgenommen wird. Dieses gesteigerte Renommee und Vertrauen kann sich direkt in besseren Geschäftsbeziehungen und einem stärkeren Marktauftritt niederschlagen. Die tägliche Berichterstattung über den Aktienkurs sorgt für eine kontinuierliche Präsenz in der Öffentlichkeit, die mit klassischer Werbung kaum zu erreichen wäre.

Mitarbeiterbindung und Unternehmensnachfolge

Börsennotierte Unternehmen können attraktive Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Form von Aktienoptionen oder Belegschaftsaktien anbieten. Dies ist ein starkes Instrument, um hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Die Mitarbeiter werden zu Miteigentümern und partizipieren direkt am Unternehmenserfolg, was die Motivation und Identifikation erheblich steigert. Zudem kann ein IPO eine elegante Lösung für die Unternehmensnachfolge sein, indem die Gründer ihre Anteile schrittweise über die Börse verkaufen können, ohne einen einzelnen Käufer finden zu müssen.

Ist Ihr Unternehmen „börsenreif“? Eine ehrliche Selbsteinschätzung

Der Entschluss für einen Börsengang ist schnell gefasst, doch der Weg dorthin ist anspruchsvoll. Nicht jedes Unternehmen ist für das Parkett der Wiener Börse geeignet. Die „Börsenreife“ ist ein Zustand, der eine ehrliche und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation erfordert. Bevor Sie externe Berater engagieren, sollten Sie intern prüfen, ob Ihr Unternehmen die fundamentalen Voraussetzungen erfüllt.

Finanzielle Stabilität und Wachstumspotenzial

Investoren suchen nach Unternehmen mit einer nachvollziehbaren Erfolgsgeschichte und, noch wichtiger, einer vielversprechenden Zukunft. Eine Grundvoraussetzung ist eine solide finanzielle Basis, die durch geprüfte Jahresabschlüsse der letzten Jahre belegt wird. Wichtiger als die reine Profitabilität ist jedoch ein klar erkennbares und skalierbares Geschäftsmodell. Können Sie schlüssig darlegen, wie Sie das durch den IPO eingenommene Kapital einsetzen werden, um nachhaltiges Wachstum zu generieren? Potenzielle Anleger wollen sehen, dass Ihre Umsätze und Gewinne nicht stagnieren, sondern eine klare Aufwärtsdynamik aufweisen.

Management und Corporate Governance

Ein starkes, erfahrenes und in der Öffentlichkeit überzeugend auftretendes Management-Team ist das A und O für einen erfolgreichen Börsengang. Investoren investieren nicht nur in ein Produkt, sondern vor allem in die Menschen, die das Unternehmen führen. Darüber hinaus verlangt die Börsennotierung professionelle Unternehmensführungs- und Kontrollstrukturen (Corporate Governance). Dazu gehören ein kompetenter Aufsichtsrat, ein etabliertes internes Kontrollsystem und ein transparentes Rechnungswesen nach internationalen Standards (meist IFRS). Diese Strukturen müssen oft erst vor dem IPO geschaffen werden.

Eine überzeugende Equity Story

Die Equity Story ist die fesselnde Erzählung Ihres Unternehmens. Sie beantwortet die Kernfrage der Investoren: „Warum sollte ich genau in dieses Unternehmen investieren?“ Diese Geschichte muss einfach, glaubwürdig und zukunftsorientiert sein. Sie beschreibt Ihre Vision, Ihre Marktposition, Ihre Wettbewerbsvorteile und Ihre Wachstumsstrategie. Eine gute Equity Story kombiniert harte Fakten und Kennzahlen mit einer emotionalen Vision. Sie ist das Herzstück Ihrer Kommunikation während des gesamten IPO-Prozesses, vom Prospekt bis zur Roadshow.

Die Segmente der Wiener Börse: Welcher Marktplatz passt zu Ihnen?

Die Wiener Börse ist nicht gleich Wiener Börse. Sie bietet unterschiedliche Marktsegmente an, die auf die Grösse, den Reifegrad und die strategischen Ziele der Unternehmen zugeschnitten sind. Die Wahl des richtigen Segments ist eine der ersten und wichtigsten Weichenstellungen im IPO-Prozess, da sie die Anforderungen, Kosten und den potenziellen Investorenkreis massgeblich bestimmt. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem „Geregelten Markt“ und dem multilateralen Handelssystem „Vienna MTF“.

Der Geregelte Markt: Prime Market und Standard Market

Der Geregelte Markt ist das EU-regulierte Premiumsegment. Er richtet sich an etablierte, grosse Unternehmen. Der Prime Market stellt dabei die höchsten Anforderungen an Transparenz, Qualität und Publizität in Europa. Unternehmen im Prime Market verpflichten sich zu Quartalsberichten, einem Corporate Governance Kodex und einer hohen Liquidität ihrer Aktien. Sie ziehen damit vor allem internationale institutionelle Investoren an. Der Standard Market ist ebenfalls EU-reguliert, hat aber etwas geringere Folgepflichten als der Prime Market. Er ist eine attraktive Option für solide mittelständische und grosse Unternehmen, die die Vorteile eines geregelten Marktes nutzen möchten.

Das KMU-Segment: direct market und direct market plus

Speziell für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie schnell wachsende Start-ups hat die Wiener Börse den „Vienna MTF“ geschaffen. Der direct market ist hier das Einstiegssegment mit den geringsten formalen Hürden. Es ist ideal für junge Unternehmen, die erste Erfahrungen am Kapitalmarkt sammeln möchten. Eine Stufe darüber steht der direct market plus, der höhere Transparenzanforderungen stellt, wie etwa die Veröffentlichung eines Jahresfinanzberichts. Dafür profitieren die Unternehmen von einer besseren Sichtbarkeit und einer aktiveren Betreuung durch die Börse. Dieses Segment ist perfekt für wachstumsstarke KMU, die sich gezielt an eine breitere Anlegerschicht wenden wollen.

Segment Zielgruppe Wesentliche Anforderungen Transparenzlevel Ideal für
Prime Market Grosse, etablierte Unternehmen EU-Regulierung, mind. 3 Jahre Bestand, IFRS-Rechnungslegung, hoher Streubesitz Sehr hoch (z.B. Quartalsberichte) Internationale Blue Chips, die institutionelle Investoren ansprechen
Standard Market Grosse & mittlere Unternehmen EU-Regulierung, mind. 3 Jahre Bestand, IFRS- oder UGB-Rechnungslegung Hoch (z.B. Halbjahresberichte) Etablierte Unternehmen mit nationalem Fokus
direct market plus Wachstumsstarke KMU Kein Mindestbestand, Unternehmens- und Finanzkalender, Begleitung durch Capital Market Coach Mittel (z.B. Jahresfinanzbericht) Aufstrebende KMU, die Sichtbarkeit und Investorenvertrauen suchen
direct market KMU und Start-ups Kein Mindestbestand, keine Prospektpflicht unter bestimmten Voraussetzungen Gering (Basisanforderungen) Junge Unternehmen, die einen einfachen Kapitalmarktzugang suchen

Der IPO-Fahrplan: Die zentralen Phasen des Börsengangs

Ein Börsengang ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Der Prozess ist komplex und folgt einer klar strukturierten Abfolge von Phasen, die sich über einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten erstrecken können. Ein detaillierter Fahrplan ist unerlässlich, um alle rechtlichen, finanziellen und kommunikativen Aufgaben termingerecht zu bewältigen und den Erfolg des Vorhabens zu sichern.

Phase 1: Die Vorbereitung (bis 24 Monate vor IPO)

Diese frühe Phase ist die wichtigste und findet grösstenteils intern statt. Hier werden die strategischen Weichen gestellt. Sie beginnt mit der fundamentalen Prüfung der Börsenreife. Das Management analysiert die Unternehmensstruktur, die Finanzen und die Prozesse. Gegebenenfalls müssen Umstrukturierungen vorgenommen werden, etwa die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft (AG) oder die Umstellung der Rechnungslegung auf internationale Standards (IFRS). In dieser Phase wird auch das Kernteam aus Banken und Beratern ausgewählt und die Equity Story im Detail ausgearbeitet.

Phase 2: Die Umsetzung (ca. 6-9 Monate vor IPO)

Jetzt beginnt die heisse Phase. Der Startschuss ist die Kick-off-Sitzung mit allen beteiligten Partnern. Im Zentrum steht die Due Diligence, eine sorgfältige Prüfung aller rechtlichen und finanziellen Aspekte des Unternehmens durch die Anwälte und Wirtschaftsprüfer. Parallel dazu wird das zentrale Dokument des gesamten Prozesses erstellt: der Börsenprospekt. Dieses umfangreiche Werk enthält alle Informationen, die ein Anleger für seine Entscheidung benötigt. Nach der Fertigstellung wird der Prospekt bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) zur Billigung eingereicht.

Phase 3: Der Börsengang und die Zeit danach

Nach der Billigung des Prospekts durch die FMA beginnt die aktive Vermarktung der Aktie. In der sogenannten Roadshow präsentiert das Management das Unternehmen bei potenziellen institutionellen Investoren in Finanzzentren wie Wien, Frankfurt, Zürich oder London. Währenddessen läuft das Bookbuilding-Verfahren, bei dem die Investmentbanken die Kaufaufträge sammeln. Am Ende wird der finale Emissionspreis festgelegt. Der Höhepunkt ist der erste Handelstag an der Wiener Börse, oft begleitet von der traditionellen Börsenglocke. Doch die Arbeit ist hier nicht zu Ende: Nun beginnen die laufenden Verpflichtungen als börsennotiertes Unternehmen, insbesondere die regelmässige Finanzberichterstattung und die professionelle Investor-Relations-Arbeit.

Das Kernteam für den Erfolg: Die richtigen Partner an Ihrer Seite

Ein Börsengang ist ein hochkomplexes Projekt, das kein Unternehmen im Alleingang bewältigen kann. Der Aufbau eines erfahrenen und perfekt aufeinander eingespielten externen Beraterteams ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Diese Experten bringen nicht nur ihr Fachwissen ein, sondern steuern den gesamten Prozess und helfen, kostspielige Fehler zu vermeiden. Die Auswahl dieser Partner sollte mit grösster Sorgfalt erfolgen.

Die Investmentbank (Lead Manager)

Die begleitende Investmentbank, oft als Konsortialführer oder Lead Manager bezeichnet, ist der zentrale Projektmanager und wichtigste Partner im IPO-Prozess. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Sie hilft bei der Bewertung des Unternehmens, der Strukturierung der Transaktion und der Erstellung der Equity Story. Ihre Hauptaufgabe ist jedoch die Platzierung der Aktien bei den Investoren. Über ihr Netzwerk organisiert sie die Roadshow, führt das Bookbuilding-Verfahren durch und sorgt für eine stabile Kursentwicklung nach dem Börsengang (Stabilisierung). Die Wahl der richtigen Bank hängt von ihrer Erfahrung, ihrem Branchen-Know-how und ihrem Zugang zu den relevanten Investorengruppen ab.

Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer

Spezialisierte Anwaltskanzleien sind für die rechtliche Absicherung des gesamten Prozesses unerlässlich. Sie führen die Legal Due Diligence durch, identifizieren rechtliche Risiken und sind federführend bei der Erstellung des rechtlich heiklen Börsenprospekts. Sie stellen sicher, dass alle gesetzlichen Vorgaben, insbesondere des Kapitalmarktgesetzes (KMG) und der EU-Prospektverordnung, eingehalten werden. Die Wirtschaftsprüfer verantworten die Financial Due Diligence. Sie prüfen die Finanzzahlen des Unternehmens, erstellen die für den Prospekt benötigten Finanzinformationen (oft nach IFRS) und geben den sogenannten „Comfort Letter“ ab, der den Banken die Richtigkeit der Zahlen bestätigt.

Die PR- und IR-Agentur

Die Kommunikation ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Während eine PR-Agentur die allgemeine Medienarbeit steuert und die Bekanntheit des Unternehmens in der Wirtschafts- und Publikumspresse erhöht, ist die Investor-Relations-Agentur (IR-Agentur) auf die Kommunikation mit der Financial Community spezialisiert. Sie hilft bei der Schärfung der Equity Story, trainiert das Management für die Roadshow-Präsentationen und baut eine nachhaltige Beziehung zu Analysten, Fondsmanagern und Finanzjournalisten auf. Eine professionelle IR-Arbeit ist nicht nur für den IPO selbst, sondern für die gesamte Zeit als börsennotiertes Unternehmen von entscheidender Bedeutung.

Die Due Diligence: Das Unternehmen auf dem Prüfstand

Der Begriff „Due Diligence“ (gebotene Sorgfalt) ist einer der zentralen Pfeiler jedes Börsengangs. Es handelt sich um eine intensive und systematische Prüfung des Unternehmens durch externe Spezialisten. Das Ziel ist es, alle wesentlichen Stärken, Schwächen, Chancen und vor allem Risiken transparent zu machen. Dieser Prozess dient nicht nur dem Schutz der investierenden Anleger, sondern auch dem Schutz des Managements und der begleitenden Banken vor späteren Haftungsansprüchen. Die Ergebnisse der Due Diligence bilden die inhaltliche Grundlage für den Börsenprospekt.

Financial Due Diligence: Die Zahlen im Fokus

Hier nehmen die mandatierten Wirtschaftsprüfer die finanzielle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Unternehmens unter die Lupe. Sie analysieren die Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Cashflow-Rechnungen der letzten Jahre. Es geht darum, die Nachhaltigkeit der Erträge zu verifizieren und die Plausibilität der Unternehmensplanung zu überprüfen. Gibt es ausserordentliche Effekte, die das Ergebnis geschönt haben? Wie realistisch sind die Umsatz- und Gewinnprognosen? Die Financial Due Diligence deckt Bilanzrisiken auf und stellt sicher, dass die im Prospekt dargestellten Finanzdaten ein korrektes und faires Bild der Lage vermitteln.

Legal Due Diligence: Rechtliche Risiken minimieren

Parallel dazu durchleuchten die Rechtsanwälte das Unternehmen aus juristischer Sicht. Sie prüfen die gesamte gesellschaftsrechtliche Struktur, wichtige Verträge mit Kunden und Lieferanten, Arbeitsverträge, Genehmigungen, Patente und Markenrechte. Ein besonderes Augenmerk liegt auf laufenden oder drohenden Rechtsstreitigkeiten. Jedes identifizierte rechtliche Risiko, das wesentliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben könnte, muss im Börsenprospekt, insbesondere im Kapitel „Risikofaktoren“, offengelegt werden. Dieser Prozess minimiert böse Überraschungen nach dem IPO und sichert die Transaktion rechtlich ab.

Commercial & Tax Due Diligence

Ergänzend werden oft weitere Prüfungen durchgeführt. Die Commercial Due Diligence analysiert das Marktumfeld, die Wettbewerbsposition und die Alleinstellungsmerkmale (USPs) des Unternehmens. Sie validiert die Attraktivität des Geschäftsmodells aus Marktsicht. Die Tax Due Diligence, durchgeführt von Steuerberatern, konzentriert sich auf die steuerliche Situation des Unternehmens. Sie deckt potenzielle Steuerrisiken aus der Vergangenheit auf und hilft, die zukünftige Steuerstruktur im Hinblick auf die Börsennotierung zu optimieren.

Der Börsenprospekt: Das wichtigste Verkaufsdokument

Der Börsenprospekt ist das Herzstück und das rechtlich bindende Fundament eines jeden öffentlichen Angebots von Wertpapieren. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Dokument, das oft mehrere hundert Seiten umfasst. Seine primäre Funktion ist es, potenziellen Anlegern sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie für eine fundierte Anlageentscheidung benötigen. Gleichzeitig ist er ein Haftungsdokument: Alle darin enthaltenen Angaben müssen wahr, vollständig und nicht irreführend sein.

Inhalt und Struktur nach Prospektverordnung

Der Aufbau und Inhalt eines Börsenprospekts sind durch die EU-Prospektverordnung streng geregelt. Dies gewährleistet eine europaweite Vergleichbarkeit. Zu den wesentlichen Bestandteilen gehören eine prägnante Zusammenfassung, eine detaillierte Beschreibung der Risikofaktoren, Informationen über das Unternehmen (Geschäftsmodell, Markt, Strategie), eine Darstellung der Management- und Aufsichtsratsmitglieder sowie geprüfte historische Finanzinformationen. Ein zentraler Teil ist zudem die „Use of Proceeds“-Sektion, die genau erklärt, wofür das durch den Börsengang eingenommene Kapital verwendet werden soll. Die Sprache ist zwar formal, doch der Prospekt dient zusammen mit der Equity Story auch als Verkaufsdokument.

Die Billigung durch die FMA

Bevor der Prospekt veröffentlicht und die Aktien öffentlich angeboten werden dürfen, muss er von der zuständigen Aufsichtsbehörde geprüft und gebilligt werden. In Österreich ist dies die Finanzmarktaufsicht (FMA). Die FMA prüft den Prospekt auf Vollständigkeit, Verständlichkeit und Widerspruchsfreiheit gemäss den gesetzlichen Vorgaben. Sie prüft jedoch nicht die inhaltliche Richtigkeit der Angaben oder die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Angebots. Der Billigungsprozess kann mehrere Wochen oder Monate dauern und beinhaltet oft mehrere Kommentierungs- und Überarbeitungsrunden. Sobald der Prospekt gebilligt ist, ist er im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum gültig („EU-Pass“).

Die Haftung für den Prospekt

Die Bedeutung des Prospekts wird durch die strengen Haftungsregeln unterstrichen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben haften sowohl das emittierende Unternehmen selbst als auch die Personen, die den Prospekt zu verantworten haben – also in der Regel der Vorstand. Auch die begleitenden Banken können in die Haftung genommen werden. Sollte ein Anleger aufgrund einer falschen oder unvollständigen Angabe im Prospekt einen Schaden erleiden, kann er Schadenersatzansprüche geltend machen. Diese Prospekthaftung ist der Hauptgrund für die enorme Sorgfalt, die bei der Due Diligence und der Prospekterstellung aufgewendet wird.

Die Kosten eines Börsengangs: Eine realistische Kalkulation

Ein Börsengang ist nicht nur ein organisatorischer, sondern auch ein erheblicher finanzieller Kraftakt. Unternehmen müssen mit signifikanten Kosten rechnen, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: einmalige Aufwendungen, die direkt mit der Emission zusammenhängen, und laufende Kosten, die durch die Aufrechterhaltung der Börsennotierung entstehen. Eine transparente und realistische Budgetierung ist daher ein wesentlicher Bestandteil der IPO-Planung.

Einmalige Kosten bei der Emission

Diese Kosten fallen direkt im Zuge des Börsengangs an und können je nach Grösse und Komplexität der Transaktion mehrere Prozent des Emissionsvolumens ausmachen. Der grösste Einzelposten ist in der Regel die Provision für das Bankenkonsortium. Diese Vergütung für die Strukturierung, Vermarktung und Platzierung der Aktien liegt oft zwischen 3 % und 7 % des Bruttoemissionserlöses. Hinzu kommen erhebliche Honorare für die externen Berater: Rechtsanwälte für die Legal Due Diligence und Prospekterstellung, Wirtschaftsprüfer für die Financial Due Diligence und die Prüfung der Finanzdaten, sowie PR- und IR-Agenturen. Weitere Kostenpunkte sind die Gebühren der Börse für die Zulassung, Druckkosten für den Prospekt und die Kosten für die Roadshow (Reisen, Veranstaltungen).

Laufende Kosten nach dem IPO

Mit dem ersten Handelstag sind die Ausgaben nicht vorbei. Die Börsennotierung bringt eine Reihe von dauerhaften Folgekosten mit sich, die im Budget berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören die jährlichen Notierungsgebühren der Wiener Börse, die vom Marktkapital des Unternehmens abhängen. Ein wesentlicher und oft unterschätzter Kostenblock sind die Aufwendungen für die Investor Relations (IR). Dies umfasst die Erstellung von Geschäfts- und Quartalsberichten, die Durchführung von Hauptversammlungen, die Pflege der IR-Website und die kontinuierliche Kommunikation mit Analysten und Investoren. Auch die Kosten für die jährliche Abschlussprüfung durch Wirtschaftsprüfer sind bei börsennotierten Unternehmen tendenziell höher, da die Anforderungen an die Rechnungslegung und die internen Kontrollsysteme steigen.

Wichtige Fragen und Antworten

Wie lange dauert ein Börsengang in Österreich?

Ein Börsengang ist ein langfristiges Projekt. Von der ersten strategischen Entscheidung bis zum ersten Handelstag an der Wiener Börse sollten Sie realistischerweise einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten einplanen. Die intensive Vorbereitungsphase (Umstrukturierung, Auswahl der Berater) dauert am längsten, während die eigentliche Umsetzungsphase (Due Diligence, Prospekterstellung) etwa 6 bis 9 Monate in Anspruch nimmt.

Was ist eine „Equity Story“?

Die Equity Story ist die überzeugende und zukunftsorientierte Erzählung Ihres Unternehmens für den Kapitalmarkt. Sie beantwortet die Frage „Warum sollten Investoren in unsere Aktie investieren?“. Sie verbindet die Vision, das Geschäftsmodell, die Wettbewerbsvorteile und die Wachstumsstrategie zu einer klaren und glaubwürdigen Botschaft. Eine starke Equity Story ist entscheidend für den Erfolg bei Investoren.

Kann auch ein kleineres Unternehmen an die Börse?

Ja, absolut. Die Wiener Börse hat mit dem Segment „direct market“ einen eigenen Marktplatz geschaffen, der speziell auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-ups zugeschnitten ist. Die Zugangs- und Folgeanforderungen sind hier deutlich geringer als im streng regulierten Hauptmarkt, was einen einfachen und kosteneffizienten Einstieg in den Kapitalmarkt ermöglicht.

Welche Rolle spielt die Finanzmarktaufsicht (FMA)?

Die FMA ist die staatliche Aufsichtsbehörde für den österreichischen Finanzmarkt. Im Rahmen eines Börsengangs ist ihre wichtigste Aufgabe die Prüfung und Billigung des Börsenprospekts. Sie kontrolliert, ob das Dokument alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen enthält und verständlich sowie widerspruchsfrei ist. Sie prüft jedoch nicht die wirtschaftliche Solidität des Unternehmens.

Was passiert nach dem ersten Handelstag?

Der erste Handelstag ist der Beginn einer neuen Ära für das Unternehmen. Ab diesem Zeitpunkt muss es die Folgepflichten des gewählten Börsensegments erfüllen. Dazu gehören regelmässige Berichtspflichten (z.B. Jahres- und Halbjahresberichte), die Ad-hoc-Publizität bei kursrelevanten Nachrichten und die Durchführung einer jährlichen Hauptversammlung. Eine professionelle und kontinuierliche Investor-Relations-Arbeit wird zur zentralen Aufgabe.

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