Jenseits des Bankkredits: Alternative Finanzierungsformen für Österreichs KMU

  • Alternativen zum Bankkredit: Für österreichische KMU gibt es zahlreiche Finanzierungsoptionen jenseits des klassischen Kredits, die je nach Unternehmensphase und Kapitalbedarf besser geeignet sein können.
  • Vielfältige Möglichkeiten: Die Landschaft reicht von Crowdinvesting über Business Angels und Venture Capital bis hin zu Mezzaninkapital, Factoring und öffentlichen Förderungen.
  • Intelligente Kombination: Oft ist nicht eine einzelne Form, sondern ein durchdachter Mix aus verschiedenen Finanzierungsinstrumenten der Schlüssel zum nachhaltigen Unternehmenserfolg.
  • Öffentliche Unterstützung nutzen: Institutionen wie das Austria Wirtschaftsservice (aws) und die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) bieten wertvolle Zuschüsse, Kredite und Garantien, die den Zugang zu Kapital erleichtern.
  • Gute Vorbereitung ist alles: Unabhängig von der gewählten Finanzierungsform sind ein professioneller Businessplan, ein überzeugendes Pitch Deck und eine transparente Unternehmensdarstellung entscheidend für den Erfolg.

Einleitung: Warum der klassische Bankkredit nicht immer die beste Lösung ist

Für Generationen von Unternehmern in Österreich war der Weg zur Finanzierung klar vorgezeichnet: Er führte direkt zur Hausbank. Der Bankkredit galt als das solide Fundament für Investitionen, Wachstum und die Überbrückung von Liquiditätsengpässen. Auch heute noch spielt er eine zentrale Rolle in der Unternehmensfinanzierung. Doch die Wirtschaftswelt hat sich gewandelt. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, erweist sich der klassische Kredit nicht immer als die optimale oder gar zugängliche Lösung.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Banken unterliegen strengen regulatorischen Vorschriften (Stichwort: Basel III), was zu einer risikoscheuen Kreditvergabe führt. Junge Unternehmen ohne langjährige Bilanzen, innovative Start-ups mit disruptiven Geschäftsmodellen oder Betriebe in Nischenmärkten fallen oft durch das engmaschige Raster der Bonitätsprüfung. Der Prozess ist häufig langwierig, bürokratisch und erfordert umfangreiche Sicherheiten, die viele KMU schlicht nicht bieten können. Zudem bietet ein starrer Kreditrahmen oft nicht die nötige Flexibilität, um auf die dynamischen Anforderungen des Marktes schnell reagieren zu können. Diese Lücke hat den Weg für eine bunte und innovative Landschaft alternativer Finanzierungsformen geebnet, die maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Bedürfnisse bieten.

Die Landschaft der alternativen Finanzierung in Österreich

Abseits des gewohnten Bankkredits hat sich in Österreich ein dynamisches Ökosystem an alternativen Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt. Diese lassen sich grob in verschiedene Kategorien einteilen, die jeweils unterschiedliche Chancen und Anforderungen mit sich bringen. Ein grundlegendes Verständnis dieser Kategorien ist der erste Schritt zur Auswahl der richtigen Strategie für das eigene Unternehmen. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen eigenkapitalbasierten, fremdkapitalähnlichen und hybriden Finanzierungsformen.

Zur eigenkapitalbasierten Finanzierung (Equity) zählen Beteiligungen durch Business Angels und Venture-Capital-Gesellschaften. Hier geben Sie Unternehmensanteile ab und erhalten im Gegenzug nicht nur Kapital, sondern oft auch wertvolles Know-how und ein starkes Netzwerk. Fremdkapitalähnliche Instrumente, wie zum Beispiel Crowdlending oder nachrangige Darlehen, funktionieren ähnlich wie ein Kredit, sind aber flexibler strukturiert. Der Kapitalgeber wird nicht zum Miteigentümer. Dazwischen positioniert sich das Mezzaninkapital, eine hybride Form, die Merkmale von Eigen- und Fremdkapital kombiniert. Ergänzt wird dieses Spektrum durch umsatzbasierte Modelle wie Factoring und Leasing sowie durch die essenzielle Rolle der öffentlichen Förderstellen in Österreich, die mit Zuschüssen und Garantien den Zugang zu Kapital maßgeblich erleichtern.

Crowdfunding & Crowdinvesting: Die Kraft der Menge nutzen

Der Begriff „Crowdfunding“ wird oft als Sammelbegriff verwendet, doch für KMU ist die Unterscheidung zum „Crowdinvesting“ entscheidend. Während beim klassischen Crowdfunding meist Produkte vorfinanziert oder Spenden gesammelt werden (Reward- oder Donation-based), geht es beim Crowdinvesting um eine echte Finanzinvestition. Eine Vielzahl von Kleininvestoren – die „Crowd“ – beteiligt sich mit meist geringen Beträgen am Unternehmen und erhält im Gegenzug eine finanzielle Gegenleistung. In Österreich ist dies meist in Form eines qualifiziert nachrangigen Darlehens mit einer fixen Verzinsung und oft einer zusätzlichen Erfolgsbeteiligung am Ende der Laufzeit geregelt.

Wie funktioniert Crowdinvesting in Österreich?

Der Prozess läuft typischerweise über spezialisierte Online-Plattformen. Das Unternehmen präsentiert sein Projekt oder seine Wachstumsstrategie mit einem Video, einem Businessplan und klaren Kennzahlen. Interessierte Anleger können dann direkt online investieren. Das österreichische Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) schafft hierfür einen klaren rechtlichen Rahmen, der sowohl Unternehmen als auch Anleger schützt. Es regelt Informationspflichten und legt Obergrenzen für die Investments fest, was das Vertrauen in diese Finanzierungsform stärkt.

Vorteile und Risiken

Der größte Vorteil liegt oft nicht nur im eingesammelten Kapital. Eine erfolgreiche Crowdinvesting-Kampagne ist ein gewaltiges Marketinginstrument. Sie schafft Sichtbarkeit, generiert Kunden und validiert das Geschäftsmodell am Markt. Die Investoren werden zu Markenbotschaftern und bilden eine loyale Community. Demgegenüber steht die hohe Transparenz. Das Unternehmen muss bereit sein, Einblicke in seine Geschäftszahlen und Strategien zu gewähren. Scheitert eine Kampagne, kann dies einen Imageschaden bedeuten. Zudem ist die Vorbereitung aufwendig und die anschließende Betreuung der vielen Kleininvestoren sollte nicht unterschätzt werden.

Business Angels & Venture Capital: Intelligentes Geld für Wachstum

Wenn es um große Wachstumsschritte, Skalierung und die Eroberung internationaler Märkte geht, sind Business Angels und Venture-Capital-Fonds (VCs) oft die erste Wahl. Beide stellen Eigenkapital zur Verfügung und werden somit zu Miteigentümern des Unternehmens. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch im Detail und in der Phase der Unternehmensentwicklung.

Business Angels sind in der Regel vermögende Privatpersonen, oft selbst erfahrene Gründer oder Manager, die bereits in einer sehr frühen Phase (Seed- oder Start-up-Phase) investieren. Ihr Engagement geht weit über das Finanzielle hinaus. Sie bringen ihre Expertise, ihre Erfahrungen und ihr persönliches Netzwerk ein – man spricht daher von Smart Money“. Für Gründer ist ein Business Angel oft Mentor und strategischer Partner zugleich. In Österreich gibt es aktive Netzwerke wie die Austrian Angel Investors Association (aaia), die Start-ups und Engel zusammenbringen.

Wen suchen Investoren?

Sowohl Business Angels als auch VCs suchen nach Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Wachstumspotenzial. Im Fokus stehen hochinnovative Produkte oder Dienstleistungen, ein skalierbares Geschäftsmodell und ein starkes, engagiertes Gründerteam. Der Zielmarkt muss groß genug sein, um eine Vervielfachung des investierten Kapitals (Exit) innerhalb von etwa fünf bis zehn Jahren zu ermöglichen. Eine bloß solide Geschäftsidee für einen lokalen Markt ist hier in der Regel nicht ausreichend. Der Weg zum Investment führt über einen professionellen Pitch, einen wasserdichten Businessplan und eine intensive Prüfungsphase, die sogenannte Due Diligence.

Mezzaninkapital: Der flexible Hybrid zwischen Eigen- und Fremdkapital

Mezzaninkapital ist eine anspruchsvolle, aber äußerst flexible Finanzierungsform, die eine Brücke zwischen Eigen- und Fremdkapital schlägt. Es wird bilanziell und rechtlich wie Eigenkapital behandelt, ohne dass der Kapitalgeber Stimmrechte erhält. Damit ist es ideal für etablierte KMU, die ihre Kapitalbasis stärken wollen, ohne die Kontrolle über ihr Unternehmen abzugeben. Diese hybride Natur macht es zu einem mächtigen Werkzeug für spezifische unternehmerische Situationen.

Die häufigsten Formen von Mezzaninkapital in Österreich sind stille Beteiligungen und qualifiziert nachrangige Darlehen. Bei einer stillen Beteiligung partizipiert der Investor am Gewinn (und oft auch am Verlust) des Unternehmens, bleibt aber im Hintergrund. Nachrangige Darlehen werden im Falle einer Insolvenz erst nach allen anderen Gläubigern (wie z.B. Banken) bedient. Dieses erhöhte Risiko für den Kapitalgeber wird durch eine höhere Verzinsung im Vergleich zum Bankkredit ausgeglichen. Weitere Formen sind Genussrechte oder Wandelanleihen, die dem Investor das Recht einräumen, seine Beteiligung später in echte Unternehmensanteile umzuwandeln.

Für welche Unternehmen eignet sich Mezzaninkapital?

Diese Finanzierungsform ist besonders für den etablierten Mittelstand interessant. Typische Anwendungsfälle sind die Finanzierung von größeren Wachstumsprojekten, Unternehmensübernahmen (Management-Buy-out/Buy-in) oder die Regelung der Unternehmensnachfolge. Da Mezzaninkapital die Eigenkapitalquote verbessert, kann es auch als strategischer Hebel dienen, um die Bonität zu verbessern und so den Zugang zu weiteren, günstigeren Bankkrediten zu erleichtern. Es ist die Lösung für Unternehmer, die frisches Kapital benötigen, aber eine Verwässerung ihrer Anteile strikt vermeiden möchten.

Factoring & Leasing: Liquidität aus dem operativen Geschäft schöpfen

Nicht immer muss neues Kapital von externen Geldgebern kommen. Manchmal liegt die Lösung zur Verbesserung der Liquidität bereits im eigenen Unternehmen verborgen. Factoring und Leasing sind zwei Instrumente der umsatzbasierten Finanzierung, die genau hier ansetzen. Sie helfen, gebundenes Kapital freizusetzen und die Finanzplanung zu stabilisieren, ohne neue Schulden im klassischen Sinne aufzunehmen.

Wann ist Factoring sinnvoll?

Factoring ist der Verkauf offener Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen an eine spezialisierte Factoring-Gesellschaft. Das Prinzip ist einfach: Sie stellen Ihrem Kunden eine Rechnung und reichen eine Kopie beim Factor ein. Dieser überweist Ihnen sofort einen Großteil des Rechnungsbetrags (meist 80-90%). Den Rest erhalten Sie, sobald der Kunde die Rechnung beim Factor beglichen hat. Der größte Vorteil ist die sofortige Liquidität. Lange Zahlungsziele von Kunden belasten nicht mehr die eigene Kasse. Zudem übernehmen viele Factoring-Anbieter das Mahnwesen und das Ausfallrisiko (echtes Factoring). Sinnvoll ist dies besonders für schnell wachsende Unternehmen oder Branchen mit langen Zahlungsfristen, wie dem Baugewerbe oder dem Handel.

Die Vorteile des Leasings für KMU

Leasing ist eine etablierte Alternative zum Kauf von Anlagevermögen. Anstatt eine teure Maschine, einen Firmenwagen oder die IT-Ausstattung zu kaufen und damit Kapital zu binden, mietet das Unternehmen diese Güter gegen eine fixe monatliche Leasingrate. Dies schont die Liquidität und die Kreditlinien bei der Bank. Die Leasingraten sind als Betriebsaufwand steuerlich voll absetzbar und ermöglichen eine klare und planbare Kostenstruktur. Zudem stellt Leasing sicher, dass das Unternehmen stets mit moderner Technik arbeitet, da die Geräte nach Ablauf der Vertragslaufzeit einfach gegen neue Modelle ausgetauscht werden können.

Förderungen & Garantien: Die Rolle der öffentlichen Hand in Österreich

Ein entscheidender Faktor, der die Unternehmensfinanzierung in Österreich prägt, ist das dichte und gut ausgebaute Netz an öffentlichen Förderungen. Die öffentliche Hand agiert hier als wichtiger Partner für KMU in allen Phasen, von der Gründung über das Wachstum bis hin zur Internationalisierung. Diese Förderungen sind oft der Schlüssel, der private Finanzierungen erst ermöglicht oder deutlich verbilligt.

Zentrale Anlaufstellen sind das Austria Wirtschaftsservice (aws) und die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Während die FFG sich primär auf forschungs- und technologieintensive Projekte konzentriert, bietet das aws ein breites Spektrum an Unterstützung für KMU aller Branchen. Die Instrumente reichen von nicht-rückzahlbaren Zuschüssen (z.B. für Beratungsleistungen oder Digitalisierungsprojekte) über zinsgünstige Kredite (ERP-Kredite) bis hin zu Garantien und Haftungen.

Der aws-Garantie als Türöffner

Besonders die aws-Garantie ist ein extrem wirkungsvolles Instrument. Viele KMU scheitern bei der Kreditanfrage an der Bank nicht an der Geschäftsidee, sondern an fehlenden Sicherheiten. Hier springt das aws ein und übernimmt gegenüber der Bank eine Haftung für einen Großteil des Kreditbetrags. Für die Bank sinkt das Risiko dadurch erheblich, was die Wahrscheinlichkeit einer Kreditzusage massiv erhöht. Die aws-Garantie fungiert somit als Türöffner und Brücke zum klassischen Bankkredit. Es ist daher für jedes KMU in Österreich ratsam, vor Finanzierungsgesprächen zu prüfen, welche öffentlichen Förderungen oder Garantien für das eigene Vorhaben infrage kommen. Oft lassen sich diese auch exzellent mit alternativen Finanzierungsformen kombinieren.

Vergleich der Finanzierungsformen: Ein Überblick in der Tabelle

Die Wahl der richtigen Finanzierung hängt von vielen Faktoren ab. Die folgende Tabelle bietet einen strukturierten Vergleich der wichtigsten Optionen, um Ihnen eine erste Orientierung zu ermöglichen.

Finanzierungsform Geeignet für Kapitalhöhe Mitspracherecht Vorteile Nachteile
Bankkredit Etablierte KMU mit Sicherheiten Mittel bis hoch Keines Günstige Zinsen, kein Kontrollverlust Hohe Anforderungen, starr, Sicherheiten nötig
Crowdinvesting Start-ups, KMU mit B2C-Bezug Gering bis mittel Keines (i.d.R.) Marketingeffekt, Community-Aufbau, schnelle Abwicklung Hohe Transparenz, aufwendig, Erfolgsrisiko
Business Angel / VC Skalierbare, innovative Start-ups Mittel bis sehr hoch Ja, signifikant „Smart Money“, Netzwerk, hohes Wachstum möglich Verlust von Anteilen und Kontrolle, hoher Druck
Mezzaninkapital Etablierte KMU, Nachfolge, M&A Mittel bis hoch Keines Stärkt Eigenkapital, flexibel, keine Stimmrechte Teurer als Kredit, komplexe Verträge
Factoring Unternehmen mit langen Zahlungszielen Abhängig vom Umsatz Keines Sofortige Liquidität, Ausfallschutz, Outsourcing Kosten (Gebühren), kann Kundenbeziehung beeinflussen

Wichtige Fragen und Antworten

Welche Finanzierungsform ist die beste für mein Start-up?

Für ein Start-up in der Frühphase sind oft Business Angels oder Förderungen (z.B. aws Preseed/Seedfinancing) die beste Wahl, da sie nicht nur Kapital, sondern auch Mentoring und Netzwerk bieten. Hat das Start-up bereits ein marktreifes Produkt und eine Community, kann Crowdinvesting eine hervorragende Option sein, um Kapital zu beschaffen und gleichzeitig Marketing zu betreiben.

Was ist das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) und was bedeutet es für mich?

Das AltFG schafft in Österreich einen rechtlichen Rahmen für Crowdinvesting und ähnliche Modelle. Für Unternehmen bedeutet es, dass sie bei der Kapitalaufnahme über eine Plattform bestimmte Informationspflichten erfüllen müssen (z.B. ein Informationsblatt bereitstellen). Dies erhöht die Transparenz und das Vertrauen der Anleger, vereinfacht aber gleichzeitig den Prozess im Vergleich zu einem vollen Kapitalmarktprospekt.

Wie erstelle ich einen überzeugenden Businessplan für Investoren?

Ein überzeugender Businessplan muss klar, prägnant und realistisch sein. Er sollte das Problem, die Lösung, das Geschäftsmodell, den Markt, das Team und die Finanzplanung detailliert beschreiben. Wichtig sind eine nachvollziehbare „Story“ und klar belegte Annahmen. Zeigen Sie, dass Sie Ihren Markt und Ihre Konkurrenz genau kennen und einen klaren Plan für die Verwendung des Kapitals haben.

Kann ich verschiedene Finanzierungsformen kombinieren?

Ja, das ist sogar sehr empfehlenswert. Ein intelligenter Finanzierungsmix ist oft robuster als eine einzelne Quelle. Eine typische Kombination wäre zum Beispiel eine aws-Garantie, um einen Bankkredit zu sichern, ergänzt durch Eigenkapital von einem Business Angel für strategisches Wachstum. Die verschiedenen Bausteine sollten aufeinander abgestimmt sein und die jeweilige Unternehmensphase widerspiegeln.

Image by: Jonathan Borba
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